Zeitsprung

Nachdem ich lange Zeit nur noch auf dem Mountainbike unterwegs war, bin ich nun aufs Rennrad zurückgekehrt. Dafür habe ich mir erstmals nach fast dreißig Jahren wieder einen neuen Hirsch zugelegt: Vollcarbon, 2x11 Gänge, ohne Pedale ca. 6,5 Kilo.

Wahrscheinlich gilt für Fotografen, Grillmaxes oder Autofahrer dasselbe wie für uns Rennradler: Je seltener man sein Gerät wechselt, desto eindrucksvoller ist der technische Sprung, der sich vollzieht. Früher war ich auf einem ferrariroten Stahlrenner der Marke Herkelmann unterwegs, elf Kilo schwer, ursprünglich komplett mit Suntour-Superbe-Pro-Komponenten ausgestattet, den Hersteller gibt's schon lange nicht mehr. 1991 habe ich eine Dura-Ace-Schaltung nachgerüstet, die immerhin schon atemberaubende 2x8 Gänge bot und "klick" machte beim Schalten.

Vorgänger des Herkelmann.

Nun also der Sprung ins neue Jahrtausend.

Was soll ich sagen? Die ersten Ausfahrten waren der Hammer. Der Rahmen ist steif wie ein T-Träger, wiegt aber nix. Als ich bergab an einem Gegenanstieg, wie ich es von früher gewohnt war, mit entschlossenem Panthersprung aus dem Sattel ging, hob das Hinterrad ab, so viel leichter ist das Rad. Die entscheidende Veränderung aber sind die Übersetzungen: Mit was für dicken Gängen wir uns früher die Berge hochgekämpft haben! Jüngere Semester würden da direkt die Legalisierung von EPO einfordern. Gleichzeitig fiel damit auch das wichtigste Selektionskriterium in diesem Sport weg: In den Achtzigern erschienen Legenden wie Mont Ventoux, Großglockner oder das Stilfser Joch für Normalsporter nahezu unbezwingbar. Mit meinen Radsportkumpels habe ich selbst einst in Stilfs gestanden, die Schlaufen der 48 Kehren hinaufgeschaut und es bleiben lassen.

Heute pedalieren "middle-aged men in Lycra", die sogenannten MAMILs, in Scharen schwerste Alpenpässe hoch und ich bin einer von ihnen. Nun konnten auch Frauen den Radsport erobern, 34:32 macht's möglich. Der Radsport wurde anders, lifestyliger und weniger asketisch. Mir gefällt's.

Wen technische Details interessieren: Zur Tour de France vergleicht das Radmagazin "tour" ein aktuelles Spitzen-Bike der Marke Pinarello mit dem historischen Siegerrad von Bernard Thevenet. "Siegertypen 1977-2017" – ich wünsche viel Spaß mit Pedalriemen, Anlötsockeln und Hochflanschnaben.

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