Pässetour mit der Deutschen Bahn

Es sollte ein Experiment werden. Der Plan: Mit der Bahn nach Andermatt reisen, über diverse hochalpine Pässe bis zum Genfer See strampeln und sich von dort per EC wieder zurück nach Bonn kutschieren lassen. Ein echtes Erlebnis, so dachte ich, und das verbunden mit einem Klima-Footprint in Katzenpfotengröße – voll ökologisch. Radlerherz, was willst du mehr.

Die Tour hatte ich rechtzeitig im Juni geplant und deshalb die Zugfahrten als vergleichsweise günstige Sparangebote buchen können. Das allein reicht aber natürlich nicht, denn das Rennrad musste nun mal mit. Und wer ein Fahrrad über die deutschen Landesgrenzen hinaus mitnehmen möchte, der braucht eine internationale Fahrradkarte. Die allerdings kann man nicht online buchen, sondern man muss entweder eine Hotline anrufen mit ungeahnten Folgen oder aber mit den ausgedruckten Tickets unterm Arm zum nächsten Bahnhof pilgern. Da fragte ich mich bereits: Was, wenn dann kein Platz im IC mehr frei ist? Kann ich die gebuchten Supersparangebots-Bahntickets dann in die Tonne kloppen stornieren?

Klappte aber reibungslos. Alle Fahrten waren gebucht, Start der Pässetour sollte am Donnerstag, 10. August, in Andermatt sein, und für diesen Tag verkündete der Wetterbericht angenehme 17 Grad und Sonne. Alles paletti. Bis zum vergangenen  Samstag. Da kippte der Wetterbericht auf einmal, verschlechterte sich in der Folge sogar noch rasant, und seit heute ist ab 2.000 Metern Höhe Schneeregen angesagt. Die Tour kann ich vergessen: Sie wäre nicht nur kalt und ungemütlich, sondern lebensgefährlich.

Also habe ich die Bahntickets storniert. Da es sich, wie erwähnt, um Sparangebote handelt, beträgt der Verlust jeweils 19 Euro. Hinzu kommen die Fahrradtickets für je zehn Euro: Ob ich die in irgendeiner Form stornieren kann? Keine Ahnung. Macht also summa summarum knapp 60 €, die ich in den Fahrtwind geblasen habe für nix. Ach ja doch: für einen katzenpfotengroßen klimatischen Footprint.

Das Risiko des finanziellen Verlusts hatte ich in Kauf genommen, dennoch hält es mich davon ab, das Experiment nun fortzuführen. Denn wenn ich die Reise ein paar Tage versetzt erneut buchen möchte, genau so ökologisch, müsste ich dieses ganze Prozedere wiederholen: Strecken heraussuchen, eventuelle Sparangebote durchgehen, zum Bahnhof latschen und die erforderlichen internationalen Fahrradkarten erwerben. Doch die Hinfahrt per IC wäre an einem Freitag: Ob da wohl noch Plätze im Fahrradabteil frei sind? Hinzu kommt, dass ich für deutsche ICs die Fahrradmitnahme einen Tag vorher anmelden muss. Ich wäre null flexibel.

Schön, dass man heutzutage mit dem Radel per Bahn sogar ins Ausland fahren kann. Aber ist das wirklich eine Errungenschaft der digitalen Moderne? Hätten wir vor diesem durchorganisierten Buchungswahnsinn Fahrräder nicht einfach ins Gepäckabteil gestellt und basta? Wo bleibt in diesem System die Spontanität, wo ist Platz für Pleiten, Pech und Pannen? Eine Radtour läuft selten ab wie vorgesehen, ein einziger blöder Platten kann die gesamte Planung über den Haufen werfen. Aber das sollte die Bahn doch eigentlich selbst am besten wissen angesichts von Personen im Gleis, überforderten Klimaanlagen, Stellwerksfehlern und all den Verzögerungen aufgrund von Verzögerungen. Und das Problem liegt auch eindeutig auf deutscher, nicht auf Schweizer Seite, denn in den Zügen der SBB gibt es ausreichend Platz für Fahrräder; man muss nicht extra noch einen Tag vorher seinen Stellplatz reservieren.

Der ganze Buchungsvorgang für meine Radreise erscheint mir wie eine krude Mischung aus Glücksspiel und Planwirtschaft, und das wäre auch nur graduell besser, wenn ich statt in die Schweiz innerdeutsch nach, sagen wir, Garmisch-Partenkirchen wollte. Hinzu kommt, dass ICs auch gelegentlich aus- oder Abteile wegzufallen belieben, was die Radreise per Deutscher Bahn endgültig zum Va-banque-Spiel macht, denn in diesem Fall hat der Bahnreisende – Fahrradreservierung hin oder her – auf Interregios und Nahverkehrszüge auszuweichen, wie ich einmal einer Durchsage für Fahrgäste am Bahnhof Koblenz entnehmen konnte. Damit verkäme selbst die bestmöglich geplante Radreise zur Odysee. Ohne mich.

Nun habe ich vor, ab Samstag eine verkürzte Strecke abzuradeln. Dafür habe ich mir online günstig einen kleinen Fiesta als Mietwagen reserviert, und diese Buchung kann ich jederzeit kostenlos wieder rückgängig machen. Die Kosten inklusive Sprit und Vignette sind etwa gleich, und ich laufe auch nicht Gefahr, dass mein edles Carbongeröhr beim Transport Schaden durch Dritte nimmt. Ökologisch ist das nicht, aber erheblich nervenschonender.

Das Abenteuer, so eine Strecke als Bahnfahrt zu organisieren, tue ich mir nicht nochmal an. Sorry, Deutsche Bahn. Wir sehen uns dann wieder, wenn ich von einer deutschen Großstadt in die andere möchte. Ein schön doofer Normbuchungsvorgang: Den werden wir schon noch hinbekommen. Keine Experimente.

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